Angesichts der raschen Urbanisierung und des zunehmenden Klimawandels müssen Städte weltweit wasserbezogene Risiken bewältigen und sich in Richtung Nachhaltigkeit und Resilienz wandeln. Unter urbaner Resilienz ist hier insbesondere die Klimaanpassung zu verstehen.
Vor allem im Zusammenhang mit extremen Wetterereignissen wird eine Anpassung der Infrastruktur notwendig sein, um Wasserprobleme wie Wasserknappheit oder Überschwemmungen, die vor allem in Kontext der globalen Urbanisierung entstehen, zu lösen. Dafür muss die Art und Weise wie städtische Umgebungen mit Wasser umgehen grundlegend verändert werden. Einen internationalen Lösungsansatz stellt diesbezüglich das Schwammstadtprinzip dar.
Das Schwammstadt-Prinzip
Das Schwammstadt-Prinzip beschreibt einen stadtplanerischen Ansatz, dessen Hauptziel die Wiederherstellung des natürlichen Wasserkreislaufs in städtischen Gebieten ist. Das Prinzip zielt auf die Versickerung, Evapotranspiration sowie das Auffangen und die Wiederverwendung des Niederschlagswassers in der städtischen Umwelt ab.
Der Kerngedanke der Schwammstadt ist Regenwasser als wertvolle Ressource anzuerkennen und es weitgehend in seinem natürlichen Kreislauf zu belassen. Es soll von der Stadt wie von einem Schwamm absorbiert und gespeichert und bei Bedarf lokal zur Verfügung gestellt werden. Dies bringt folgende Vorteile mit sich:
- Entlastung der Kanalisation durch lokale Verdunstung und Versickerung des Niederschlagwassers.
- Überschwemmungsschäden werden durch verzögerte und reduzierte Abflüsse verringert.
- Förderung des natürlichen Wasserkreislaufs.
- Verdunstung des Niederschlagswassers begünstigt das Stadtklima und bindet Staub.
- Gespeichertes Regenwasser kann in Trockenperioden zur lokalen Bewässerung städtischen Grüns genutzt werden, wodurch eine Nutzung von Trinkwasser zur Bewässerung vermieden wird.
- Begünstigung der Grundwasserneubildung.
- Reinigung des Niederschlagswasser über den Boden durch Versickerung.
Ziele des Schwammstadt-Prinzips
Das Hauptziel der Schwammstadt ist Städte gegenüber dem Klimawandel resilienter zu gestalten, indem ein städtischer Wasserkreislauf geschaffen wird, wodurch Regenwasser verdunsten und versickern kann. Neben diesem Hauptziel gibt es fünf weitere wichtige Zielsetzungen der Schwammstadt.
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Lokaler Wasserrückhalt
In den letzten Jahren haben lokal auftretende Starkregen des Öfteren schwere Überschwemmungen verursacht, mit denen beträchtliche Schäden einhergingen. Durch die Schwammstadt sollen Spitzenabflüsse verringert und verlangsamt werden. Dadurch wird das städtische Kanalnetz entlastet und das Überschwemmungsrisiko bei Starkregen deutlich verringert. -
Verbesserung der städtischen Wasserqualität
Durch die rasche Urbanisierung ist die Sicherheit des Trinkwassers in vielen Städten gefährdet, weshalb die Verringerung der Wasserverschmutzung eines der wichtigsten Ziele der Schwammstadt ist. In der Schwammstadt wird das Regenwasser über den Boden oder auf Gründächern durch das Substrat gefiltert und gereinigt. -
Wiederherstellung des natürlichen Wasserkreislaufs
Für die Wiederherstellung eines natürlichen Wasserkreislaufs, müssen lokale Versickerung und Verdunstung gegeben sein. Intensiv bewirtschaftete Gründächer weisen eine deutlich höhere Verdunstungsleitung auf als extensiv bewirtschaftete. Zudem ist die lokale Speicherung des Regenwassers eines der wichtigsten Ziele der Schwammstadt. -
Verringerung des Wasserbedarfs
Durch das rasche Wachstum der Stadtbevölkerung, wurden Städte in den letzten Jahren mit verschiedenen Wasserkrisen konfrontiert. Die Schwammstadt sieht verschiedene Nutzungsformen von Regenwasser vor und ersetzt das frühere Ziel der „schnellen Entwässerung“ im städtischen Wassermanagement durch den Erhalt der Ressource Regenwasser. -
Verbesserung des städtischen Mikroklimas
Die Überwärmung von Stadtgebieten zählt zu den bekanntesten Stadtklimaphänomenen. Die Verbesserung des Stadtklimas anhand der Verdunstungskühlung verschiedener Schwammstadtelemente ist daher ein wichtiges Ziel der Schwammstadt.
Blau/Grüne Infrastruktur in der Schwammstadt
Eine wachsende Zahl an Veröffentlichungen zeigt, dass naturbasierte Lösungen, insbesondere die Optimierung der blau/grünen Infrastruktur, als nachhaltige Strategien gelten, um Städte wasserresilient zu gestalten.
Die blau/grüne Infrastruktur findet als ergänzende Methode des städtischen Hochwasserrisikomanagements, neben der grauen Infrastruktur (Kanalisation) in vielen Städten zunehmend Anerkennung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie neben ihrem Hauptzweck als Hochwasserschutz multifunktionale Vorteile erfüllt. Die Vorteile sind z.B. die Verbesserung der Wasser- und Luftqualität, Erhöhung der lokalen Klimaresistenz, Erhaltung des natürlichen Wasserkreislaufes, Steigerung des Wohlbefindens und Verbesserung der Artenvielfalt im urbanen Raum.
In der Schwammstadt kann das städtische Regenwasser mithilfe der blau/grünen Infrastruktur auf nachhaltige Weise aufgefangen, gespeichert und wiederverwendet werden. Durch verschiedene Schwammstadtelemente kann ein Großteil des Wassers durch natürliche Prozesse langsam verdunsten und so der steigenden Hitze im Siedlungsraum entgegenwirken. Dafür sind besonders unversiegelte und begrünte Flächen, mit einer hohen Evapotranspiration geeignet.
Die wichtigsten und anerkanntesten städtischen blau/grünen Lösungen für ein nachhaltiges Regenwassermanagement sind Gründächer, Stadtbäume, Zisternen zur Regenwassernutzung und die Integration durchlässiger Oberflächen in Straßenbeläge. Vor allem Retentionsdächer helfen Wasser zu speichern und die Auswirkungen von Regenwasserabflüssen auf lokaler Ebene zu verringern.
Wichtiges Schwammstadtelement Retentionsdach
Begrünte Dächer werden bereits seit Jahrzehnten als Mittel zur Regenwassersteuerung eingesetzt, da sie Regenwasser zurückhalten und den Spitzenabfluss verzögern, wodurch das Risiko von Überschwemmungen verringert wird. Einen noch größeren Beitrag leisten hier Retentionsdächer, welche für eine besonders starke Abflussverzögerung konzipiert sind und über eine hohe Wasserspeicherkapazität verfügen.
Retentionsdächer reduzieren Abflussspitzen, indem sie Niederschlagswasser zurückhalten, speichern und die Verdunstungsleistung von Dachflächen erhöhen. Dadurch kann das Risiko innerstädtischer Überschwemmungen reduziert und der urbane an einen naturnahen Wasserhaushalt angenähert werden.
Shetty et al. (2022) untersuchten die Auswirkungen von Gründächern auf den städtischen Regenwasserabfluss. Ihre Ergebnisse zeigten, dass die Rückhalterate eines normalen Gründachs bei geringen Niederschlägen bereits bei nahezu 100 % liegt. Bei Starkregen kann ein normales Gründach ca. 65,2 % der Niederschläge zurückhalten. Dieser Prozentsatz erhöht sich auf 75,6 %, wenn das Regenwasser zusätzlich gespeichert wird.
Neben Hochwasserschutz bieten Retentionsdächern zudem weitere Vorteile wie Verbesserung des städtischen Mikroklimas und der biologischen Vielfalt, Verbesserung des Regenwassermanagements und Steigerung des Wohlbefindens. Als großer Vorteil erweist sich zudem die Möglichkeit, diese als nachträgliches Planungsinstrument an bereits bestehender Infrastruktur anwenden zu können.
Abb. 1: Wasserkreislauf Retentionsdach; eigene Darstellung 2022
Literaturverzeichnis
Shetty, Nandan; Wang, Mark; Elliott, Robert; Culligan, Patricia (2022): Examining How a Smart Rainwater Harvesting System Connected to a Green Roof Can Improve Urban Stormwater Management. In: Water 14 (14), S. 2216. Abgerufen unter: Link